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Hermann Beil
MARK TWAINS WIENER LEHRSTÜCK

Erst belustigt, dann verwundert, schließlich erschrocken, gelegentlich sogar fassungslos vernahmen wir – so dürfen wir uns durchaus eingestehen – im Herbst 2016 die Berichte aus den USA zunächst über die Primaries und später über den Wahlkampf um das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Aus der Ferne blickten wir über den Atlantik und erlebten doch sehr direkt ein Spektakel, bei dem jedes demokratische Fairplay aufgehoben und ins Gegenteil verkehrt schien. Die Vehemenz der politischen Auseinandersetzung, bei der einer der Kontrahenten jede Spielregel vorsätzlich und schamlos missachtete und seine Willkür obendrein als neuen Maßstab verkündete, konnte wahrlich kein gutes Omen sein für die Zukunft und für eine Politik, die Vertrauen verdient. Wie es seit der Inauguration des amerikanischen Präsidenten am 20. Januar 2017 weiterging, wissen wir.

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Wie belustigt, erstaunt, erschrocken oder auch abgeschreckt mag wohl der Amerikaner Mark Twain gewesen sein, als er am 28./29. Oktober 1897 von der Pressetribüne des Reichsratssitzungssaals heftigste politische Auseinandersetzungen und wüste Streitereien beobachten konnte? Müssen wir, rückblickend, jene im wahrsten Sinn des Wortes denkwürdige Debatte als Menetekel bezeichnen?
Mark Twains geradezu spannender Bericht legt dies, auch durch seine historische Einordung, sehr nahe. Heute empfinden wir den Reichsratssitzungssaal als einen ehrwürdigen Versammlungsort voll historischer Aura. Mark Twain erlebte ihn als einen Ort politischer Schlammschlachten und sinnloser selbstzerstörerischer Aktionen. Mark Twains Parlamentsreportagen sind ein sehr plastisch-drastischer Report, sie vermitteln einen unmittelbaren Eindruck von der Primitivität und Brutalität einer Auseinandersetzung, in der ideologische und nationalistische Fanatismen sich einander gegenseitig zu überbieten und zu erledigen versuchen. Aber auch für die ungewollte Komik dieses politischen Irrsinns findet Twains Lakonik die passenden Worte.

Aus heutiger Distanz betrachtet, ist jener dreißigstündige Parlamentstag eine Parabel von der bedenkenlosen und doch planmäßigen Zerstörung politischen Zusammenlebens. Es gibt keinen Versuch, keine Bemühung, aus Verantwortungsbewusstsein Gemeinsamkeit zu suchen und zu finden, es gibt nur Feindseligkeit und Hass, Missachtung und Pöbelei, Trickserei und Manipulation, Geschrei und Prügelei. Eine lange, unheilvolle Entwicklung führt zur Explosion. Ein tiefschwarzer Tag des Parlaments, nein, wahrlich keine Sternstunde, vielmehr ein durchgeknalltes Ereignis mit zerstörerischen und schließlich – viele Jahre später – tödlichen Folgen für die Donaumonarchie.

Mark Twain erzählt uns das Geschehen wie ein böses, finsteres Märchen, das traurige Märchen vom Anfang des Endes. Aber jenes „Es war einmal …“ gilt hier für uns leider nicht, denn die Probe aufs Exempel wäre leicht zu machen: Es könnte nämlich ein erhellendes Lehrstück sein, unseren heutigen Volksvertretern Mark Twains Reichratssitzungs-Saga anno 1897, trefflich besetzt, am Originalschauplatz vorzuspielen, um vielleicht auch so zur Einsicht zu verhelfen, dass politische Zerstörung nicht Schicksal, sondern Menschenwerk ist. Mark Twains beiläufig vergleichende Hinweise auf den damaligen angelsächsischen Parlamentarismus geben seinem Wiener Bericht eine zusätzliche historische Dimension und bringen die Erkenntnis: Machterhalt um jeden Preis, Machtgewinn um jeden Preis wird bitter bezahlt. Gestern wie heute. Mark Twains Reportage habe ich für das Hörbuch behutsam gekürzt, um die tatsächliche Dramatik dieser Stunden im Reichsratssitzungssaal deutlich zu machen.

(Text für die Buchausgabe: Mark Twain „Reportagen aus dem Reichsrat“, hrsg. von der Österreichischen Parlamentsdirektion, Residenz Verlag 2018, mit einem Hörbuch gelesen von Hermann Beil.)

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BERNHARDS "ALTE MEISTER"
Ein hingebungsvoller Hass

Thomas Bernhard war in Wien verhasst und wird dennoch überall gespielt. Jetzt kam das Kunsthistorische Museum in den Genuss einer wehmütigen Dramatisierung seiner berühmten Hassrede „Alte Meister“, am Ort des Geschehens, das dafür aber ganz anders aussehen musste.

Von Dirk Schümer
27. April 2010 Frankfurter Allgemeine Zeitung

Wien ist die graue, vergangenheitsselige Stadt, in welcher der verkrachte Musikphilosoph Reger jeden zweiten Tag – außer Montag! – im Bordone-Saal des Kunsthistorischen Museums auf der Sitzbank über die Misslichkeiten der Kunst, des Lebens an sich und des Österreicher-Seins im Speziellen nachdenkt. Zumindest im Roman „Alte Meister“. Thomas Bernhard hat darin die urkomische Verzweiflung eines lebensmüden Vitalgreises und dessen angeekelte Liebe zur Kunst so sehr zum Thema gemacht, dass man nach der Lektüre das Museum gar nicht mehr betreten kann, ohne nach Reger und seiner Sitzbank, seinem Lakaien, dem Museumswärter Irrsigler und seinem Zuhörer Atzbacher Ausschau zu halten.

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Vorgestern Abend, zwei Stunden nach der Schließung, waren sie plötzlich da. Reger mit Lodenweste und Uhrenkette, Atzbacher gut gelaunt devot und Irrsigler mit dümmlich-strammer Haltung als Bewacher des Schlüsselbildes: Tintorettos „Weißbärtigem Mann“. Diese wehmütige Dramatisierung der „Alten Meister“ – mit einem würdigen Martin Schwab, Erwin Steinhauer als Widerpart und Hermann Beil als Aufseher – sollte nur für einen kostbaren Abend dort gespielt werden, wo sie eben spielt. Das Kunsthistorische Museum wurde seine fünfzig Karten in wenigen Minuten los. Unter dem intransigenten Ölfarbenlächeln venezianischer Kurtisanen geriet Bernhards erregte Suada über die verkommenen Wiener Aborte, die Scharlatanerie aller Kunst und die Österreicher als Weltmeister der Charakterlosigkeit zu großem Theater. Naturgemäß gibt es im Kunsthistorischen gar keinen Bordone-Saal, die riesige Sitzbank auch nicht. Und den „Weißbärtigen Mann“ hatte man eigens an den literarisch richtigen Platz umhängen müssen.
Es ist urkomisch, dass Bernhard, den die Österreicher so hingebungsvoll hassten, in Wien präsenter ist als Kaiser Franz Joseph. Im Burgtheater laufen zwei seiner Stücke, im Theatermuseum zeigt eine kluge Schau die Kämpfe der Peymann-Ära. Vor allem die Leserbriefe mit Mordgelüsten gegen den Nestbeschmutzer Bernhard zeugen davon, wie wichtig man vielleicht nur noch hier das Theater nimmt. Putzig auch die Beschwerde des Augsburger Kulturausschuss-Vorsitzenden gegen die Beleidigung seiner Stadt als „Lechkloake“. Das ist sicher auch dem künftigen Exbischof Mixa aus der Seele gesprochen. Und was hätte Thomas Bernhard wohl gemacht, hätte er die Liebesbekundungen seiner Wiener noch erlebt? Wahrscheinlich vor Schreck geschwiegen.

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Rede zum Welttheatertag in Wuppertal vor dem Schauspielhaus, 27. März 2010

Liebe Freunde des Wuppertaler Theaters!

Heute benennen wir – die Intendantengruppe des Deutschen Bühnenvereins, die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste und Sie alle, die sich hier auf dem Platz vor dem Wuppertaler Schauspielhaus versammelt haben, - diesen Platz definitiv und für alle Zeit in: PINA-BAUSCH-PLATZ.

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Liebe Theaterfreunde!

Es ist keine gewagte These, sondern die Wahrheit: ohne das Schauspiel Wuppertal gäbe es keine Pina Bausch in Wuppertal. Der mutige Arno Wüstenhöfer – er war Schauspieler und Schauspielregisseur und nach ihm ist wenigsten ein Weg benannt – hat als Generalintendant Pina Bausch nach Wuppertal geholt und stand zu ihr gegen alle damaligen Anfeindungen.

Pina Bausch ist die charismatische Künstlerin, die mit ihrer epochalen und einzigartigen Arbeit und ihrer einzigartigen Treue zu Wuppertal Zeugnis dafür abgibt, was Wuppertal leisten und bedeuten kann. Gewiß hätte es zu ihren Lebzeiten niemand gewagt, auf den törichten Gedanken zu kommen, das Wuppertaler Schauspiel platt zu machen.

Und noch ein anderes Beispiel:

Vor einer Woche erhielt in Bensheim die wunderbare Schauspielerin Barbara Nüsse den Gertrud-Eysoldt-Preis, den mittlerweile renommiertesten deutschsprachigen Schauspielerpreis, durch die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste verliehen. Barbara Nüsse erlebte in ihrer Schul-und Jugendzeit das fabelhafte Wuppertaler Schauspiel und wurde deswegen Schauspielerin und eben nicht Direktorin der väterlichen Maschinenbaufabrik. Sie hatte hier in Wuppertal die alles entscheidende Möglichkeit gehabt, Theater zu erleben und so ihren Beruf zu finden. So wie Pina Bausch die Möglichkeit hatte, hier ihre Berufung im wahrsten Sinn des Wortes zu verwirklichen.

Ähnliche für das Theater so wichtige Künstlerbiografien wären in Wuppertal bald nicht mehr möglich, würde der Horror-und Wahnsinnsplan, das Wuppertaler Schauspiel zu schließen, böse Wirklichkeit werden.

Immer wieder wird uns gesagt, es müsse doch gespart werden. Aber ein Theater, das zur Seele einer Stadt gehört, schließen, heißt nicht sparen, es heißt zerstören und bedeutet obendrein die Perversion des Ursinnes des Wortes SPAREN. Im Ursprung bedeutet das Wort Sparen: Leben bewahren, Leben erhalten, Leben beschützen.

Vor 20 Jahren hat Berlin das unselige Beispiel gegeben und das Schiller Theater geschlossen. Nichts ist damit gespart worden, es hat nur viele Millionen gekostet und jetzt, nach 20 Jahren wird – wieder mit vielen Millionen – der Fehler wiedergutgemacht.

Warum soll Wuppertal diesen unseligen Fehler nun auch machen müssen?

Die hohen und hochmögenden Damen und Herren, die anläßlich der großen Trauerfeier für Pina Bausch nach Wuppertal geeilt kamen, sie könnten jetzt tatkräftig beweisen, daß ihre Anteilnahme aufrichtig gewesen ist und wie sehr ihnen Kultur und kulturelle Freiheit wirklich Herzensangelegenheit sind.

Als ich Dramaturg am Schauspielhaus Bochum war, unternahmen wir Anfang der 80er Jahre zusammen mit Theaterkollegen aus Gelsenkirchen und Wuppertal einen Vorstoß in Düsseldorf und appellierten an Ministerpräsident Rau, uns allen zu helfen und die überregional wirksame Arbeit der Städtischen Bühnen von Bochum, Gelsenkirchen und Wuppertal von Seiten des Landes zu unterstützen. Wir blitzten ab. Johannes Rau verschanzte sich hinter der Landesverfassung und speiste uns mit ein paar netten Worten ab.

Heute hat Ministerpräsident Rüttgers alle Chancen, diesen damaligen Fehler endlich gutzumachen und die Kommunen des Landes bei ihren Theater zu unterstützen. Er könnte sich sogar auf Artikel 12 des Grundgesetzes berufen, der da festhält: Alle Deutschen haben das Recht Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Schließung des Schauspielhauses hier in Wuppertal wäre eine gravierende Mißachtung dieses Grundrechts.

Liebe Freunde des Wuppertaler Theaters!

Bitte schreiben Sie dem Ministerpräsidenten! Überhäufen Sie, bombardieren Sie Herrn Rüttgers mit Briefen. Geben Sie als Absender auch die Anschrift PINA-BAUSCH-PLATZ WUPPERTAL an.

Subventionen sind nicht für die Künstler, Subventionen sind für das Volk, damit Menschen ins Theater gehen können, damit Menschen sich einen Theaterbesuch leisten können.

Wuppertal kämpft einen Kampf stellvertretend, denn wenn das Wuppertaler Theater tot ist, kann das Theatersterben umso leichter flächendeckend weitergehen.

Wünschen wir uns also, daß der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und seine Kabinettskollegen einige Wochen vor dem 9. Mai noch offen sind für Volkes Stimme und dem Theatervolk dieser Region das Wuppertaler Schauspiel bewahren - es so bewahren, daß es leben und arbeiten kann.

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